Geschichte zur Entstehung


Die Städte und Bürger mussten Freiheit und Unabhängigkeit erkämpfen und verteidigen. Der Sieg hing nicht nur von der Dicke der Stadtmauern ab, sondern auch von der Fähigkeit der Bürger ihre Waffen zu benutzen. Jeder Bürger von Neuss hatte im Mittelalter - wie in allen anderen deutschen Städten - die Pflicht, seine Stadt zu bewachen und im Notfalle mit der Waffe in der Hand zu verteidigen. Um zu Prüfen, ob die Bürger noch in der Lage waren ihre Stadt zu verteidigen, wurde jährlich ein Schießwettbewerb veranstaltet.
Am Anfang des 13. Jahrhunderts standen Bogenschützen auf den Stadtmauern. Die älteste feste Schützenorganisation ist die Sebastianus-Bruderschaft der Schützen-Gesellen wurde im Jahr 1415 gegründet und nach einer Erneuerung im Jahr 1803/04 und Umbenennung zur Neusser Scheibenschützen-Gesellschafft gibt es sie noch heute. Schon damals schossen die Schützen um Preise und Kränze und kührten den Besten unter ihnen als König. Als historisches Vorbild dienten die Ritterspiele.
Im 15. Jahrhundert verknüpften sich dann das Schützenwesen als militärische Form mit den städtischen Schießwettbewerben und kirchlichen und weltlichen Einflüssen und es entstanden die bis heute bekannten Volksfeste.
Nach dem Abmarsch der französischen Armee wurde eine Bürgermiliz gegründet, die die öffentliche Sicherheit und Ordnung sichern sollte und aus der Bürgerschaft rekrutiert wurde. Die Miliz bestand nur vorübergehend bis zur Aufstellung von Landwehr und Gendarmerie ab dem Jahr 1815.
Viele preußische Truppen quartierten sich dann in Neuss ein und wurden mit den verschiedenen Uniformen scheinbar Vorbild für verschiedene Schützengruppen. Junger Männer haben teilweise gedient, dies und die Vorliebe zum Schützenwesen mögen Grund gewesen sein, um 1823 in geschlossener Formation anzutreten. Die Junggesellen-Sodalität stellte also den Antrag zur Bildung einer Vogelschützen-Gesellschaft und konnte noch im selben Jahr das erste Fest feiern.
Damit waren die Neusser Schützen aber nicht die ersten, denn in Bedburdyck veranstaltete die Schützen-Bruderschaft ein Jahr zuvor ein Vogelschießen und in Hemmerden sogar schon 1821.
(nach den Texten von Joseph Lange)

Die Wurzeln

Jeder Bürger von Neuss hatte im Mittelalter - wie in allen anderen deutschen Städten - die Pflicht, seine Stadt zu bewachen und im Notfalle mit der Waffe in der Hand zu verteidigen.
Die Bewachung erfolgte normalerweise nur bei Nacht, in unruhigen Zeiten auch bei Tage. Die Verpflichtung zur Bewachung und Verteidigung der Stadt übernahm der Bürger mit dem Bürgereid, den er der Stadt Neuss bei der Aufnahme in das Bürgerrecht zu leisten hatte. Die Bürgersöhne bei Erreichung der Volljährigkeit, die Zuwanderer bei Ihrer Einbürgerung.
Zu den Pflichten des Bürgers gehörte es, sich die nötige Bewaffnung zu verschaffen. Er musste einen brauchbaren Harnisch besitzen und war mit Hieb- und Stichwaffen versehen, manche besaßen eine Schusswaffe. Als Schusswaffe verwandte man zunächst nur den Bogen. Mit dem 14. Jahrhundert kam die Armbrust in Gebrauch, die dem Bogen an Schussweite und Treffgenauigkeit überlegen war. Ob sich Harnisch und Bewaffnung in gutem Zustand befanden, wurde auf Musterungen überprüft, die regelmäßig am 1. Mai stattfanden. Zeitweilig zahlte die Stadt jedem Bürger für das Erscheinen mit seinen Waffen einen Quart Wein. Aber man kam später von dieser Gewohnheit wieder ab, vielleicht wegen der hohen Kosten, denn die Stadt zählte zur Zeit des Höhepunktes ihrer Entwicklung um 1570 - also vor dem großen Brand im Jahre 1586 - mehr als 1.000 waffenfähige Bürger in ihren Mauern. An sich waren die geborenen Führer des Bürgeraufgebotes die Bürgermeister. Es gibt jedoch kein ausdrückliches Zeugnis für diese Behauptung.
Besser ist die militärische Organisation bekannt. Die Stadt war in 6 Kirchspiele genannte Quartiere eingeteilt mit je einer eigenen Fahne. Die Bürger eines jeden Kirchspiels unterstanden einem vom Stadtrat ernannten Hauptmann, dessen Vertreter der Fähnrich war. Die Stärke der Aufgebote der einzelnen Kirchspiele betrug in der Zeit um 1415 etwa 120 - 140 Waffenfähige, unterteilt in Rotten, die von einem Gefreiten geführt wurden.
Im Rahmen dieser Organisation kämpften mit Schwert und Hellebarde ausgerüstet Nahkämpfer neben den Bürgern, die neben dem Schwerte Armbrust oder Bogen führten und den Feind bereits auf Distanz bekämpfen konnten. Die Begriffe "Bogen und Armbrust" werden in alten Urkunden nicht säuberlich getrennt. Für die bogen- und armbrustführenden Bürger galt der Name: Schützengesellen.
Sie bildeten später nach der Einführung der Feuerwaffe eine eigene Einheit. Diese Schützengesellen von Neuss gründeten am Feste Allerheiligen, am 1. November 1415, - entsprechend dem Brauch der damaligen Zeit - eine Bruderschaft zum hl. Sebastianus, welche am 9. Oktober 1420 durch den Erzbischof Dietrich bestätigt wurde. über diese Gründung nahm man eine Urkunde auf, die im Stadtarchiv aufbewahrt wird.
Im Jahre 1474, also 59 Jahre nach der Gründung der Gesellschaft rückte Karl der Kühne mit einem gewaltigen Heere gegen Neuss, um die Stadt zu erobern. Die Neusser entschlossen sich, die Aufforderung zur übergabe der Stadt abzulehnen. Sicherlich nicht ganz frei in ihrer Entscheidung, sondern stark beeinflusst durch die Anwesenheit des Bistumsverwesers und designierten Erzbischofs Hermann von Hessen, der mit 3.000 Rittern und Söldnern zur Verteidigung der Stadt einrückte und dass Kommando übernahm. Die Schützen konnten nun als Teil des städtischen Aufgebotes von ca. 900 Bürgersoldaten ihre Leistungsfähigkeit beweisen.
Die Belagerung dauerte wider Erwarten 46 Wochen. Schon nach drei Monaten, im November, war der ursprüngliche Vorrat an Pfeilen und Bolzen verschossen. Die Neusser stellten von dieser Zeit ab bis zum Ende der Belagerung am 28. Mai 1475 in Tag- und Nachtarbeit noch 70.000 Pfeile her. Das benötigte Holz nahmen sie von den inzwischen geleerten Weinfässern. Insgesamt wurden 100 Tonnen Pfeile verbraucht, etwa 100.000 Stück.
Dass die Schützenbrüder eine wichtige Rolle gespielt haben, beleuchtet die Tatsache, dass die Hilfstruppen der Stadt Bonn nach Ihrer Rückkehr in ihre Heimatstadt sogleich eine Bruderschaft gründeten.
Nach dieser Belagerung gab es Meinungsverschiedenheiten unter den Schützen, deshalb trennten sie sich, wie ab 1486 durch Urkunden nachweisbar. Es gilt als sicher, dass sich als Junge Schützen diejenigen absonderten, die aus dem Verlauf der Belagerung gelernt hatten, dass die Armbrust veraltet war und die Zukunft den Feuerwaffen gehörte, während bei den Alten Schützen, der ursprünglichen Gesellschaft, diejenigen blieben, die vom Althergebrachten nicht abweichen wollten. So haben wir seit 1485 in Neuss zwei Schützengesellschaften. Beide zum hl. Sebastianus. Jede Gesellschaft hatte ihre eigene Schießbahn entlang der Mauer. Die Alten Schützen am Zolltor bis etwa zu der Stelle, wo heute die Bürgergesellschaft steht, und die Jungen Schützen von da ab bis zum Windmühlenturm. Jede Schießbahn maß mehr als 100 Meter. Die Alten Schützen hielten ihre Versammlungen und ihre Festessen im Haus zur Waage am Markt ab, wo sie im Jahre 1494 von der Stadt Neuss den Söller pachteten.
In gleicher Weise diente den Jungen Schützen der Speicher des städtischen Kaufhauses, der sogenannte Schützensöller als Heim. Beide Gesellschaften besaßen ihr eigenes Vermögen an Renten und Einkünften und auch eigenes Geschirr und Besteck für ihre Festessen. Diese Essen müssen wohl gelegentlich ein gewisses Unmaß angenommen haben, jedenfalls sah der Stadtrat sich mehrfach veranlasst, mahnend einzuschreiten. Der Stadtrat führte überhaupt eine gewisse Aufsicht über die Schützenbruderschaft. Satzungsänderungen bedurften seiner Genehmigung.
Die Trennung der beiden Schützengesellschaften blieb auch bestehen, als sich später die Alten Schützen von der Armbrust abwandten und zum Schießen mit Gewehren übergingen und der ursprüngliche Grund zur Trennung entfiel. Die Alten Schützen schossen beim Königsschießen auf den Vogel, die Jungen auf die Scheibe.
Auch den Patronatstag beging jeder für sich. Am Festtag des hl. Sebastianus, am 20. Januar, feierten die Alten Schützen, die Jungen Schützen am Sonntag darauf, beide im Münster. Es war wohl schon damals schwer, einmal getrennte Bruderschaften wieder zusammenzuführen. Aber die Not macht auch das möglich, und zwar geschah folgendes: Im Verlaufe der Reformation traten einige Neusser Bürger zum neuen Glauben über, auch waren manche Zugezogenen protestantisch. Die Erzbischöfe von Köln, die Landesherren also, versuchten durch wiederholte Gebote den Stadtrat zu veranlassen, die Protestanten aus der Stadt auszuweisen. Sie hatten hierbei nur teilweise Erfolg.
Um die Stadt wieder fest für den alten Glauben zurückzugewinnen, berief der Kurfürst Ferdinand von Bayern im Jahre 1599 die Jesuiten nach Neuss, zunächst nur zur Unterstützung der Seelsorge. Im Jahre 1615 veranlasste er dann die Errichtung eines Jesuiten-Gymnasiums. Diese höhere Schule, mit mehreren Patres als Lehrkräfte, musste wirtschaftlich fundiert werden. Der Kurfürst übertrug ihnen zunächst die Kirche und das Kloster der Minderbrüder, das diese wegen des Verfalls der Klosterzucht verlassen mussten. Er sprach ihnen ferner das Vermögen der Marien-Bruderschaft armer Kleriker in der verfallenen Liebfrauen-Kirche zu, sowie die Renten der St. Annen-, der St. Antonius- und der Nikolaus-Bruderschaft. Auch das Vermögen der Sebastianus-Bruderschaft der Alten Schützen sollte ihnen zufallen.
Die Brudermeister traten für den Fortbestand ihrer Bruderschaften ein und suchten insbesondere deren Renten zu retten. Dies gelang jedoch nur den Alten Schützen. Diese wandten sich im Jahre 1618 an die Jungen Schützen, die ja von der Beschlagnahme nicht betroffen waren. Sie boten an, sich unter Einbringung ihres Vermögens mit diesen wieder zu einer Bruderschaft zu vereinigen. Die Verhandlungen verliefen erfolgreich. Am 5. Januar 1620 beschlossen die beiden Bruderschaften in der Generalversammlung auf dem Schützensöller ihre Wiedervereinigung. Von nun an gab es also in Neuss wieder nur eine Sebastianus-Bruderschaft der Schützen, deren Schießstand wegen des Baues der Zitadelle in den Wallgraben zwischen Hamtor und Niedertor verlegt wurde. So blieb es auch bis zum Einzug der französischen Revolutionstruppen am 5. Oktober 1794. Die Bruderschaft musste ihre Waffen abgeben und ihre Tätigkeit einstellen, sie wurde jedoch nicht aufgelöst.
(Quelle: Neusser - Scheiben - Schützen - Gesellschaft von 1415 e.V.)

Begriffserklärung

Bürger und Bürgersöhne
Ein in Neuss bekannter Begriff, nicht zu letzt seit dem gleichnamigen Buch von Joseph Lange. Aber was genau heißt "Bürger und Bürgersöhne"?
Der Neusser Bürger symbolisiert seit Jahrhunderten das gesellschaftliche und politische Bewusstsein und verbindet damit eine energische Idee von Recht, Freiheit und Selbstständigkeit. Ihm ist der Ruf seiner Stadt und das Wohl der Allgemeinheit wichtig und früher musste er darauf auch seinen Eid ablegen. Im Mittelalter hatte der Neusser Bürger die Pflicht seiner Stadt zu dienen und sie mit seinem Leben zu verteidigen, seit dem 16. Jahrhundert wurden dann auch die erwachsenen Söhne der Bürger vereidigt.
Im Jahr 1638 wurde dann eine Schützen- oder Schießordnung für "Bürger, Bürgersöhne und Jungesellen" verabschiedet, die unter anderem besagt, dass der Schütze mindestens 18 Jahre alt sein muss. Seit dieser Zeit waren die Bürgersöhne ein Begriff in den Statuten der Schützengesellschaft, die anfangs nur aus Junggesellen bestand und später (1836) als eine Gesellschaft für alle Bürger ohne Unterschied eine endgültige Satzung bekam.

Junge Gesellen
Schon in den Wurzeln des Bürgerschützen-Vereins liest man etwas über die "jungen Gesellen", dies waren junge unverheiratete Männer, die im Brauchtum stets eine besondere Rolle bekamen. Außer Frühlings- und Maibräuchen, hatten die Neusser Jungen Gesellen eine Rolle, die in enger Verbindung zum Schützenwesen stand, denn sie bildeten seit dem 16. Jahrhundert eine eigene Wehrformation. Gemeinsam mit den Bürgern standen sie zur Bewachung und Verteidigung der Stadt bereit, außerdem dienten sie zum Auskundschaften und Aufmarschieren bei hohem Besuch. Bewaffnet waren sie mit Musketen, gemustert wurden sie wie alle wehrfähigen Bürger und ihre Anführer wurden vom Rat ernannt.
Nach alter Sitte zogen sie einmal im Jahr (um Pfingsten) vor die Tore der Stadt, um eine Art Familienfest zu feiern. Im Grünen setzten sie Maibäume, errichteten Zelten, aßen, tranken und feierten, sie schossen auf einen Vogel und zogen abends zurück in die Stadt. Diesen Brauch gibt es überall in Deutschland unter verschiedenen Namen, z.B. "zu Holze fahren". Die Junggesellen waren die ersten Vogelschützen.
Mitte des 18. Jahrhunderts waren die jungen Gesellen in einer Bruderschaft "Sancti Quirini" vereint. Seit den 80er Jahren des genannten Jahrhunderts traten sie in militärischer Form als Grenadiere und Musketiere auf, die jeweils einen Hauptmann und Leutnant hatten, das Kommando hatten damals schon der jeweilige Major mit seinem Adjutanten.
Nach dem Einzug der französischen Armee im Herbst 1794 gingen viele Traditionen unter, doch eine alte Tradition wie das Schützenwesen überlebte und setzte sich wieder durch. Die Junggesellen waren 1801 die ersten, die sich wieder zusammen fanden und eine Sodalität (Personenvereinigung, das lateinische Wort Sodalitas bedeutet Freundschaft, Kameradschaft) gründeten. Die verheirateten Männer folten 1802 als Marianisch-Quirinische Männer-Sodalität und die Scheibenschütezn in den Jahren 1803/04.
(nach den Texten von Joseph Lange)

Die Uniform

Beim ersten Schützenfest im Jahr 1823 marschierten die Junggesellen in drei Gruppierungen zur Bartholomäuskirmes auf. Die jeweiligen Offiziere trugen die Uniformen der alten Bürgermiliz und nutzte die militärischen Dienstgrade, der gemeine Schütze durfte damals noch keine Uniform tragen
Die Grenadiere und Füsiliere trugen einen Biedermeierfrack mit weißer oder gelber Hose und Zylinder, dieser Aufzug prägte die Uniform der Grenadiere bis heute. Später sollte der Unterschied zwischen beiden Gruppen darin bestanden haben, dass die Füsiliere (sie existierten nicht lange) einen blauen Frack trugen.
Die Jäger hatten den damals üblichen bäuerlichen Rock und einen grün-geschmückten Hut an.
Jede Gruppe stand unter dem Kommando eines Abteilungsvorstehers, der ab dem folgenden Jahr bereits Major genannt wurde. Im Jahr 1824 mussten allerdings die Offiziersabzeichen verändert werden, da das Tragen von echten Epauletten der ehemaligen Bürgermiliz verboten wurde.

Der Unterschied zwischen Kirmes und Schützenfest

Im Neusser Raum bedeutet Schützenfest und Kirmes allgemein dasselbe. Das ist nicht überall und war nicht immer so.
Das Wort Kirmes kommt von der Kirchmesse und war ursprünglich der Tag der Kirchweihe, bzw. des Schutz-, Pfarr- oder Ortspatrons. Nach der kirchlichen Prozession fand allgemein die weltliche Feier statt. War der Heilige über die Ortsgrenzen bekannt und entwickelte die Stadt sich zu einem Wallfahrtsort, entstand zusätzlich eine Art Markt, der Kirmes- oder Krammarkt.
Patronatsfeste in Neuss: Die älteste Kirmes war die am 1. Mai "auf sankt Walburgen Dag" (Maimarkt), einen Tag vorher fand das Fest des Stadtpatrons statt, das Quirinusfest. Am 24. Juni war die Johanniskirmes, zu diesem Tag gibt es heute noch in einigen Vororten das Johannisfeuer, am 24. August die Bartholomäuskirmes (Termin unserer heutigen Kirmes) und am 1. Oktober die Remigiuskirmes. Teilweise sind die Termine heute noch durch Jahrmärkte bekannt.
Auf die Spätkirmes "Kirmiss sancti Bartholomaei" legten die Junggesellen ab 1823 ihr neues Schützenfest und brachten so die Gleichsetzung von Kirmes und Schützenfest.
(nach den Texten von Joseph Lange)